»Dunkle Körper. Alienation und die Utopie der Dystopie« | filmvortrag [talk]

> film vortrag | vorbereitet für konferenz utopische körper > | sektion »utopie und dystopie« [2003.05]



(i): ols | @Berkely 2003
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Der Vortrag ist der Versuch einer »konstruktiven Ãœberblendung«, die sich exemplarisch auf die Motivik des Butoh (dem Tanz der Dunkelheit) und der Alien-Serie (dem Paradebeispiel eines techno-organischen SF-Horrors) stützt. Es soll so eine anschauliche Form für einen Gedanken (eine »These«) gefunden werden; dieser Gedanke besteht in der Ãœberzeugung, dass es nach den schmerzhaften und ent-täuschten Erfahrungen eines fortschritts- und technikgläubigen Modernismus, und insbesondere nach der Epochenschwelle 1933-45, in bestimmten kulturellen Ausdrucksformen zu einer spezifischen Verstrickung von Utopie und Dystopie (Anti-Utopie) bzw. eine Neuvermessung ihres Zwischenraums gekommen ist. Deren Spezifik besteht in einem positiven oder produktiven Horizont des »Dunklen«, des Ausgeschlossenen und der Fokussierung neu entgrenzter und begrenzter Körperlichkeiten und iher Potentiale als einem ko-präsenten Horizont inmitten der uns zugänglichen Realität(en). Die hyperbolen Körper, wie sie im Butoh oder Alien erscheinen - und die nur oberflächlich als Darstellung des Dystopischen betrachtet werden können - zeigen dabei etwas, das sich den klaren Grenzen von Utopie und Dystopie, Gut und Böse, Zivilisation und Wildheit, Natur und Kultur/Technik auf eigentümliche Weise entzieht. Neben und in den Superimpositionen der technischen und kulturellen Moderne erscheinen erneut die Subpositionen einer Kultur des Körperlichen und Organischen im Gewand einer »zweiten Natur« - das Animalische, das Geschlechtliche, das Alte, das Tote, das natürlich Bizarre, Wuchernde, Verwachsene… und verschüttete Reservoirs von Kulturalität. Der im Butoh im Angesicht der technischen Moderne »mit Leidenschaft sich aufrichtende Leichnam des Körpers«, das in Alien vom militärisch-industriellen corporations gejagte und gehezte technomorphe Biest oder der sich als Wolf gebärdende versklavte Replikant (Blade Runner) gehören zu diesen symbolischen Körpern und Körperlichkeiten der Zwischenräume. Sie bilden die obliken Vehikel einer gemeinsamen, impliziten »Aussage«: Keine ernsthafte utopische Erzählung kommt mehr vorbei am Verschütteten, am »mythischen Ur- und Abgrund«, vergangener, gegenwärtiger und künftiger Modernen. Utopie läßt sich nur noch denken in einem - realen oder imaginierten - Durchgang durch die Dimension des Dystopischen, auch wenn das Dystopische letztlich nicht mit dem Utopischen identisch sein kann.
Innerhalb dieser spezifischen Betrachtung machen sich allgemeine Fragen geltend: Welche Form nimmt die »Natur« als unterdrücktes Moment instrumenteller Fortschrittserzählungen in kulturellen Inszenierungen an, die nicht schlicht eine Überschreibung der Natur durch Kultur und Technik annehmen? Wie artikuliert sich hier die »Nichtidentität von Natur und Gesellschaft« und - jenseits eines naiven Naturalismus und in Anerkennung gegenwärtiger Gesellschaftlichkeit(en) - die »Mitproduktivität der Natur«? Welche notwendigen Momente (oder Schattenwürfe) des Utopischen werden hier unter den Vorzeichen des Negativen, Ausgeschlossenen, Unbemerkten markiert?