Körper, Körperlichkeit und eine effektive Bestimmung von Medialität - Zur Abgrenzung von Medien und Zeichen [talk/text]
:: talk/text : 10. Int. Semiotik-Kongress der DGS 2002 in Kassel: “Körper - Verkörperung - Entkörperung / Body - Embodiment - Disembodiment†: 02/04vortrag gehalten auf:
»Körper - Verkörperung - Entkörperung (Body - Embodiment - Disembodiment) – 10. Internationale Kongress der Deutschen Gesellschaft für Semiotik« | Universität Kassel | 19.-21. Juli 2002
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abstract
Wo von Verkörperung die Rede ist, gilt es Körper nicht nur als Stichwortgeber sondern auch als einen zentralen und systematischen Ausgangspunkt der Konzeptbildungen in die Theorie mitaufzunehmen. Mit Merleau-Ponty ist hierbei in der post-phänomenologischen Philosophie eine Perspektive eingeführt, in der Körperlichkeit als eine strategische Doppelfigur gedacht ist, die den Körper zum einen als lebendige, empirische Struktur und zum anderen als Kontext oder Milieu verschiedener (kognitiver, sozialer, sprachlicher etc.) Mechanismen und Zusammenhänge umfaßt.
In einer entsprechend angesetzten Lektüre weisen so scheinbar verschiedene Denker wie Merleau-Ponty, McLuhan und Benjamin eine interessante Familienähnlichkeit auf, deren gemeinsames, sozusagen »virtuelles«, Zentrum ein raffiniertes und komplexes Konzept des Körperlichen darstellt, welches den Körper auch nach einer analytisch Durchdringung nicht als wesentliche Integrationsgröße der Theoriebildung aus dem Blick verliert. Merleau-Pontys
Konzeption einer gleichsam individuellen wie anonymen, quasi-ontologischen Leiblichkeit steht hierbei in Resonanz mit Beschreibungen, die sich für die in diesem Zusammenhang wirksame Eigenwertigkeit verschiedener medialer Vermittlungszusammenhänge interessier(t)en.
Inauguriert wird in einer so gearteten Zusammenschau auch eine eigenständige Idee des Medialen, nach der Körper gleichsam natürliche wie kulturelle »Rahmen« für implizit wie explizit wirkende Effektivitäten bilden, welche je zusätzliche Handlungs- und Erfahrungs- und Sinn-Strukturen einführen. Eine solche Sicht, die an nicht-semiotischen Struktur-Effekten und -Schemata im Sinne einer nicht-signifikativen Bedeutungsbildung festhält,verspricht nicht nur einen Theorie-Boden für die notwendige Bestimmung der Unterscheidungen (wie der Zusammenhänge) von Zeichen und Medium, Semiotizität und Medialität, sondern auch für die Auslotung von unterschiedlichen Formen (»Grammatiken«) von Medialität (McLuhan) und Signifikation (Hayles).
In zwei Kontexten kann diese Unterscheidung in ihrer Relevanz exemplifiziert werden: 1) der an Inszenierung und Performativität interessierten Kulturtheorie (Gumbrecht/Fischer-Lichte u.a.); 2) der an virtuellen Realitäten und Telepräsenz-Effekten interessierten Techniktheorie (Biocca, Hayles u.a.).
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»Körper, Körperlichkeit und eine effektive Bestimmung von Medialität - Zur Abgrenzung von Medien und Zeichen«
0. Ästhesiologie als laterale Verbindung von Körperlichkeit, Phänomenalität und Semiotizität
Ich werde mit Blick auf das Werk des französischen Philsosophen Maurice Merleau-Ponty, der sich in seinem unvollendeten Spätwerk vornahm die “Auffassungen von Begriff, Idee, Geist, Vorstellung durch die Begriffe Dimensionen, Artikulation, Ebene, Scharniere, Angeln, Konfiguration (zu) ersetzen†(Merleau-Ponty 1986 : 284)
- mit Blick auf die ggw. medientheoretische Debatte etwas zum Verhältnis von Zeichen und Medium sagen;
- zwei exemplarische Kontexte angeben, in denen sich die Problematik, Relevanz aber auch die Spannbreite dieses Verhältnisses andeutet (genauer die Kontexte des postdramatischen Theaters, wie der VR-Technologien);
- um abschließend eine etwas ungewöhnliche Formation von Theoretikern auftreten zu lassen (Merleau-Ponty, McLuhan und Benjamin), die gemeinsam und komplementär gelesen ein Feld eröffnen, in dem dieses wechselhafte Verhältnis von Medium und Zeichen vor dem Hintergrund einer unhintergehbaren Körperlichkeit des Menschen eine mögliche Deutung findet.
Es geht dabei u.a. um die Rekonstruktion Merleau-Pontys für eine medientheoretisch wie leib-philosophisch erweiterte Zeichentheorie – eine Rekonstruktion, die auch aufzeigen soll wie Merleau-Ponty´sPhilosophie durchaus konstruktiv gerade durch ihre »unvollständige Architektur« (Richir) in gegenwärtigen Kontexten operationalisiert werden kann. Vor dem Hintergrund des im weiteren dargelegten soll aber auch der prinzipielle Ab-Stand seiner »indirekten Ontologie«, welche mit dem Begriff des »Fleisches« als zentralem Theorie Element arbeitet, zu einer »transzendentalen Phänomenologie« wie überhaupt jeder Art einer Theorie des »unmittelbaren Erlebens« bzw. existentialistisch verkürzter “Schein-Direktheit†(B. Waldenfels) reklamiert werden. Dies geschieht durch die Herstellung (Konstruktion) eines grösseren Zusammenhangs: einer post-phänomenologischen Theoriebildung, die jenseits der falschen Dualitäten – Realismus/Determinismus, Relativismus/Konstruktivismus, Existenz/Semiotik, Erfahrung/Vermittlung etc. – die Versöhnung von phänomenalem Erleben, materieller Phänomenalität und verschiedenen Formen der Vermittlung in den Blick nimmt – all dies im Rahmen einer Philosophie die »Körperlichkeit« selbst als Glyphe einer Welt »lateraler Beziehungen« versteht. “Im Augenblick, wo meine Wahrnehmung reine Wahrnehmung, Ding oder Sein wird, erlöscht sie; im Augenblick, wo sie sich entzündet, bin ich schon nicht mehr das Ding†(Merleau-Ponty 1986 : 162f.)
1. Die Komplizität von Zeichen(-Theorie) und Medien(-Theorie)
“Der Bastard oder die Verbindung zweier Medien ist ein Moment der Wahrheit und Erkenntnis, aus dem neue Form entsteht.†So Marshall Mc Luhan in Understanding Media, dem Buch das wahrscheinlich den größten Anspruch darauf erheben kann Medientheorie als eigenständigen Diskurs begründet zu haben . “…die Parallele zwischen zwei Medienâ€, so fährt er fort “lässt uns an der Grenze zwischen Formen verweilen, die uns plötzlich aus der narzißtischen Narkose herausreißen.†In diesem Sinne will ich auf ein interessantes Feld der Familienähnlichkeit hinweisen, dass so scheinbar verschiedene Denker wie Maurice Merleau-Ponty, Marshall McLuhan und Walter Benjamin in einer entsprechend angesetzten Lektüre aufweisen. Ein Feld dessen sozusagen »virtuelles« Zentrum ein raffiniertes Konzept des Körpers darstellt,das sich aus gängigen Dualismen - nicht zuletzt denen von Körper und Geist/Struktur/Bedeutung löst, diesen traditionellen Begriffen eine neue Bedeutung verleiht (– das kann ich hier nur behaupten –) - und dabei ( – das will ich zumindest andeuten –) eine eigenständige Idee des Medialen jenseits der reduktiven Dispositive des Textes, der Maschine oder des Systems begründen kann.Die Zusammenstellung der personalen »Medien«, die ich dabei ausgesucht habe, mag anfänglich etwas überraschen - - und angesichts der Tatsache der kurzen Zeit kann ich auch nur hoffen, die Motivation hierfür sowie die gröbsten Züge dieser behaupteten Theoriekompatibiltät anzuzeigen –sie ist aber begründet durch das Interesse am »Ungedachten« oder »Angedachten« einer Theorie, das Merleau-Ponty einmal – in seiner Lektüre Husserls - zum eigentlichen Gegenstand der philosophischen Textarbeit erklärt hat. Es ist hier die Ãœberzeugung, dass Philosophie “immer erneute Erfahrung ihres eigenen Anfangens ist und gänzlich in der Beschreibung dieses Beginnens aufgeht,…” - soweit zumindest sich dieser jeweilige »Neueinsatz« unter einer interssierenden und interessanten Perspektive vollzieht. Diese Perspektive ist hier die Bestimmung einer Unterscheidung wie eines Zusammenhangs von Zeichen und Medium, oder Semiotizität und Medialität, in einer spezifischen und programmatischen Perspektive der »Körperlichkeit«.
In einer Theorie die Körper (bzw. Leib) und – was nicht das selbe und dennoch darin impliziert ist - »Körperlichkeit« in einer Zusammenschau betrachtet, wird dabei, nicht nur die Frage der Materialität - welche ja in einer interessanten uneindeutigen und untergründigen Beziehung zu derFigur der Körperlichkeit steht - in eine neue Perspektive gerückt ( das wird hier für meinen Zusammenhang auch gar nicht weiter ausgeführt werden ) , sondern insbesondere die Frage nach dem grundlegenden Charakter von Bedeutung und Bedeutsamkeit - neu thematisiert - was, so eine weitere Voraussetzung und These der hier vorgestellten Perspektive, ebenso zu zu unterscheiden ist, nimmt man die verschiedenen Dimensionen körperlicher Erfahrung ernst.
Grob lässt sich diese Fragestellung einordnen in ein Programm, welches - etwa in Aussprache durch H.U. Gumbrecht - feststellt, dass im Zuge einer Neu-Befragung und -Bestimmung »kulturellen Sinns« “die Praxis des Interpretierens als Praxis der Identifikation und Ãœbermittlung von Sinn ihre über lange Zeit fraglose Zentralstellung zu verlieren†scheint, “während Fragen wie die nach den Bedingungen der Möglichkeit von Sinn (…) oder wie jene nach den sinnlichen (…) Dimensionen der Wahrnehmung in den Vordergrund treten.â€
In diesem Sinne geht es dann nicht mehr um die Frage wie »Zeichen«, »Körper« und »Bedeutung« im schlechten Sinne »fertiger Begriffe« (Merleau-Ponty) sich zueinander anordnen, als vielmehr -– ausgehend von einer Perspektive der »körpergebundenen Wahrnehmung« und damit der Körperlichkeit als der Verfasstheit einer zu ihren Umwelten hin grundsätzlich offenen menschlichen Existenz,– um die Frage anderer, weiterer Formen der Bedeutsamkeit, die sich »außerhalb« oder neben Zeichenrelationen und den durch sie konstituierten Bedeutungen auffinden lassen. Bei dieser Frage nach einem bedeutsamen Außen – vielleicht sogar Hintergrund - der Signifikation, so eine weitere These, geht es um die Formen von Bedeutsamkeit bestimmter Effekte im Rahmen einer immer auf einen »ästhesiologischen Körper« (Merleau-Ponty) verwiesenen gegenständlichen Erfahrungswelt. Es geht um eine »effektive« - also möglicherweise auch nur »implizite«, unartikulierte – Bedeutsamkeit, die einen Kern der Bestimmung von »Medialität« ausmacht und die sich. Im Sinne der nicht nur als »Sekundärphänomen« von Zeichenprozessen bestimmt, sondern vielmehr in einer Spannung zu diesen steht, - einer Spannung die sowohl diese beiden »Formen« der Bedeutungsausbildung als auch die Körperlichkeit selber anders (vielleicht genauer) bestimmt, als es gemeinhin üblich ist.
Diese hier angezielte Bestimmung von Medialität beruft sich – ganz allgemein - auf eine der von McLuhan getroffenen Charakterisierungen, nach der die “Grundfunktion aller Medien†darin besteht, “Nährboden für neue Fertigkeiten und Erfahrung†zu sein. Er tat dies, ohne dass er meinte der näheren Bestimmung der Zeichenfunktion - als einer wesentlichen Form der Bedeutungsvermittlung - in seinem umfangreichen Werk einen nennenswerten Platz einräumen zu müssen und, so ein anderer Hinweis, untertitelte stattdessen eines seiner weiteren Bücher (The Medium is the Massage) mit »an inventory of effects«.
2. Zum Verhältnis von Medium und Zeichen in der gegenwärtigen (deutschsprachigen) medientheoretischen Diskussion
Der Paderborner Medientheoretiker Hartmut Winkler stellt in seinen Bemerkungen über das “Jenseits der Medien†fest, dass sich die Medientheorie in gewisser Weise in einem Theorieraum Jenseits (oder Diesseits) der Semiotik bewegt.
Er behauptet – und verweist hierbei auf zahlreiche Beispiele wie etwa sportliche Aktivitäten, indenen wir “gegen die Grenzen unserer Körper spielenâ€- , dass unsere Zeichensysteme einen entscheidenden Rückhalt in Praxen haben, welche nicht nur teilweise als »außerdiskursiv« verstanden werden müssen, sondern auch reale Effekte jenseits von Arbitrarität und Determination offenbaren. Für Winkler steht fest, dass zumindest einige unserer Gewißheiten (und Wahrheitsannahmen) aus dem Spiel mit den Dingen eher als aus dem Spiel mit den Zeichen stammenâ€. Hierbei gäbe es im Umgang mit den Dingen, welche hier medialen Charakter annehmen, in dem sie neue Erfahrungsräume eröffnen, “eine »Selbstverständlichkeit« die sich für den körperlichen Menschen im voraus einstellen kann nicht a posteriori durch Habitualisierung, Konventionalisierung oder andere Lernprozesse…in denen sich gerade keinerlei Code offenbartâ€. Diese Bemerkungen sind deswegen interessant, weil es andererseits im Zusammenhang mit Medien eine sowohl in der Zeichentheorie wie auch der Medientheorie etablierte Unterscheidung zwischen Zeichen und Medium gibt, die Medien oft mit den Realisierungs- und Ãœbertragungsbedingungen für Zeichen - etwa im Sinne der Kanäle ihrer Vermittlung versteht ( - z.B. Daniel Chandler, der in seiner Einführung in die Semiotik dem Begriff als Medientheoretiker den Medien natürlich einen systematischen Platz einräumt).
Auch die Medientheorie verbleibt oft gänzlich gebunden an einen alles beherrschenden Begriff des Zeichens. So schlug Ernst Müller noch 1996 in einer Einführung vor â€das als »Medium« zu bestimmen, »was für und zwischen Menschen ein (bedeutungsvolles) Zeichen (oder einen Zeichenkomplex) mit Hilfe geeigneter Transmitter vermittelt, und zwar über zeitliche und/oder räumliche Distanzen hinweg.Ǡâ€(D)emzufolge†so Müller weiter wäre das Medium “in intentionale Handlungszusammenhänge eingebettetâ€, â€dialogisch und semiotischâ€. Und auch Manfred Faßler, der sich in besonderem Maße für die sozialen Handlungs- und Gebrauchszusammenhänge von »makromedialen« Komplexen - also ganzen Mediennetzen - interessiert, beschreibt wie Medien “in konkreten Verhältnissen hergestellt, durchgesetzt und genutzt†werden, und schließt daran aber die Ãœberzeugung, dass “sie (immer) zugleich an Zeichen, Symbole sowie an technologische Bedingungen gebunden” sind. Ein Medium ist auch für ihn, was “als Zeichenspeicher »gebraucht« wird, Moment von Kommunikation ist.”
Ist diese Verbrüderung von Medien- und Zeichenbegriff bekanntermaßen von einer Doppelbewegung vermittelt in der die Diskurse des »Medienmaterialismus« und der einer »Materialität der Zeichen« über den Topos der Äußerlichkeit miteinander vermittelt werden, (-> Gumbrecht) so stellt sich gerade wegen dieser Konvergenz die Frage nach ihrem Unterschied. So fragt Sybille Krämer, die aus philosophischer Sicht an den Begriffen des Mediums und der Kulturtechniken arbeitet nachdem sie vorher in einschlägigerweise über die Geschichte der symbolischen Maschinen gearbeitet hat, ob nicht “der Begriff»Medium« dadurch schärfere Konturen gewinnen (kann), dass wir seine Unterschiede zum Begriff des Zeichens und zum Begriff des technischen Instruments herausarbeiten?” In dies,e in sich über die medialen Dimension des Zeichenprozesses hinausreichenden Anlage der Fragestellung, reiht sich der Literaturwissenschaftler Ludwig Pfeiffer ein, wenn er - mit Blick auf eine Abgrenzung vom neukantianischen Programm Ernst Cassirers - meint “medienanthropologisch müsste selbst die Frage erlaubt sein, ob Medien oder materielle Objekte - … - innerhalb kultureller Semiotiken durchweg als Zeichen “verstanden” werden (müssen) oder ob wir den Begriff des Verstehens nicht durch einen anderen, sondern durch eine Reihe anderer ersetzen müssten.â€
Diese Frage richtet sich gegen solche neuaufgelegten Allianzen mit einer Philosophie der symbolischen Formen, wie aktuell aus den Reihen einer ansonsten eher technizistischen Theoriebildung wieder formuliert wird. So ist für Georg Christoph Tholen, der bis vor kurzen ja in Kassel lehrte und forschte, das “grundlegende†und neu zu verarbeitende “Axiom einer sich implizit mit dem 19 Jhdt. herausbildenden Kulturwissenschaft “dass ihre Ausdrucksformen in semiotisch unabschliessbaren und sozial regulierten â€daseinsrelativen†Symbolisierungen bestehtâ€. Diese Einsicht zählt er zum »unabgegoltenen kultursemiotischen Erkenntnisgehalt der Kulturwissenschaft« und stößt schließlich mit einer Bestimmung des Medialen, die fast gänzlich im Begriff und Phänomen des für sich selbst prozessierenden Computers aufgeht, auf die “Frage nach der kulturell-symbolischen Prägekraft der Medien als ‘bedeutungsfreien, sinnaufschiebenden’ Weisen der Speicherung, Ãœbertragung und Repräsentation von Informationen und Daten.†Dieses »Theorem des zeichenvermittelten, in sich fragmentarischen ‘Übersetzungscharakters’ symbolischer Formen« führt in dieser Weise zu einer Verschmelzung der Begriffe des Symbolischen, des Medialen und des Technischen, wie sie auch bei Friedrich Kittler postuliert wird (auf den Tholen in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich bezug nimmt. Charakteristisch für diese bestimmung ist, dass der körperliche Mensch als systematische Größe nicht mehr in der Basis der Gleichung vorkommt – sowohl Medialität wie die Zirkulation von Bedeutung scheinen ohne ihn oder sie zu »funktionieren«. Nicht nur geht hier die Unterscheidung zwischen Symbolischem und Medialem verloren, vielmehr zeichnet sich diese Perspektive durch eine sublime “Orientierung†an “einer rein technisch definierten »MedienkulturǠaus – eine wechselseitige Bestimmung von Körperlichkeit, die eine besondere Rolle der körperlichen Verfasstheit des Menschen und seiner Umwelt-Bezüge mit beinhalten sollte, einerseits und Medialität bzw. Zeichenhaftigkeit andererseits ist auf diesem Hintergrund nicht zu erwarten.
3. Die Komplizität von Körperlichkeit, Medialität und Semiotizizät: zwei diskursive Beispielfelder
In zwei exemplarischen Kontexten kann jedoch die besondere Verwobenheit von »Körper«, »Medialität« und »Zeichenhaftigkeit« in einer Zirkulation von Körperlichkeit bzw. Verkörperung angedeutet werden, einer Verwobenheit, die keiner dieser drei Größen ihren souveränen Status streitig macht, an keiner vertikalen Hierachie dieser oft zu »Paradigmen« stilisierten Größen interessiert ist.
– 1. Virtual Reality
Schon die neuere KI-Forschung, die mit dem Kognitivismus und einer reduktiven Sicht von Intelligenz als (oft algorythmische gedachter) Symbolverarbeitung nachhaltig gebrochen, findet über den Umweg der technischen Körper in der Robotik die Einsicht, dass Bedeutung nur in einem partizipatorischen Umweltverhältnis begründet sein kann. “Without an ongoing participation and perception of the world there is no meaning for an agent” stellt Rodney Brooks, einer der mittlerweile Bekanntesten Robotik-Forscher und –Theoretiker, fest. Und folgert “therefore it is necessary to… connect (an Artificial Intelligence System) to the world via a set of sensors and actuatorsâ€. Auf der Suche nach der technischen Realisierung handelnder Intelligenz. Prinzipielle Probleme - z.B. die durch den prinzipiell offenen Kontext von Wissen verursachte Notwendigkeit exzessiver Programmierung, die sog. “informational load” - lassen einige Kognitionswissenschaftler wundern im Angesicht der Ãœberlebensleistungen einer Küchenschabe, die kein künstliches System erreicht. Diese Forschung »reached an unexpected conclusion«: »we find that explicit representations and models of the world simply get in the way«. Die hieran anknüpfende Vorstellung, dass auf symbolische Repräsentation ganz verzichtet werden könne, hängt wohl mit der gegenwärtigen Fokussierung der animalischen Intelligenz zusammen, die sich aber nichtsdestoweniger als äußerst komplexe Struktur von Relevanzen, Bedeutungshaftigkeiten und schematischen Orientierungen entpuppt hat. Für die Frage nach der Repräsentation ergibt sich die spannende Herausforderung, aus der in diesem Kontext gewonnenen Einsicht, dass im Falle der keineswegs einfachen Agent-Umwelt-Interaktionen, die Welt als “ihr eigenes Modell†figuriert und sich in den spezifischen Beziehungen von Organismus bzw. Maschine und Umwelt ein externes »Umweltgedächtnis« ohne die Vermittlung von Zeichen herausbildet. Die bedeutungshafte Strukturierung der Handlungsräume stellt sich für die Agenten ein »by using the world itself«.
Die Agenten sind hierbei v.a. auf das Wechselspiel ihrer Außenwahrnehmung und ihrer Eigenwahrnehmung, ihrer Propriozeption angewiesen, ohne die all ihre Leistungen schlicht nicht möglich wären.
All diese Umstände wiederholen sich interessanterweise – unter neuen Vorzeichen - dort wo Menschen unter Aufbietung enormer technischer und symbolischer Apparate eine »künstliche«, zusätzliche, virtuelle Umgebung projezieren. In der Virtual-Reality-Technologie, die ja zweifelsohne zu den medialen Techniken in einem sehr engen Sinne gehört, wird der Kontext der eigenen Wahrnehmung und Handlung über die Grenzen des normalerweise als zu einem gehörigen Körper ausgeweitet, die »unmittelbare« Situation beinhaltet hier, vermittelt durch Datenhandschuh und Datenbrille Aspekte einer technischen Simulation. Kann diese Situation einerseits als Verdoppelung in einen phänomenalen und einen Zeichen- bzw. Datenkörper gedeutet werden, ist andererseits eine andere Ebene der nicht-symbolischen Wirksamkeit am Werke: nicht nur verändert sich in diesen Situationen der körpereigene Habitus und die Körperschemata besonders schnell und intensiv – solche Phänomene wie die »simulation sickness« weisen ex negativo darauf hin, dass »virtuelle Realität« - zusätzlich zu den komplexen Voraussetzungen von roher und symbolverarbeitender Technik - nur unter der Voraussetzung der vermittelnden Bedingung der Propriozeption, also dem nicht-symbolsichen »Spüren« der eigenen Körpergrenzen im Austausch mit der Umwelt, zu den für sie typischen Effekten der »Immersion« führt. Diese Propriozeption führt zu den beudeutsamen Verbindungen zwischen den Dimensionierungen des eigenen Körpers und der gewohnheitsmäßig benutzten Objekte und die Gewöhnung an virtuelle Objekte ist nichts anderes als ein »finetuning« der eigenen Propriozeption unter den Bedingungen symbolisch generierter Zusatz-Wahrnehmungen. Frank Biocca, der wiederum einer der führenden Forscher in dieser Technologie ist, weist darauf hin, dass selbst solche basal, geradezu banal erscheinende Erweiterungen der Computertechnologie - wie die vom Keyboard zur zusätzlichen Maus- anzeigt, dass Computer-Medialität nicht nur auf einem symbolischen, »conversational« Input sondern auch auf einem »somatic input« aufbaut. Wie Biocca ebenso zeigt, kann das Interface, ohne dessen Vorhandensein es nicht nur in mühseliger, langsamerer, schwierigerer Weise, sondern letztlich zu gar keinem in sinnvollerweise bestimmbaren Gesamt-Vorgang von Medialität kommt, im Zusammenhang mit Virtueller Realität als über die Bestimmung von sensorischen, quantifizierbaren »Informationen« und Zeichen repräsentabel gemacht werden. Vielmehr müssen solche Medien-Interfaces über eine qualitative Bestimmung des jeweiligen »sensory engagement« bestimmt werden, deren Maß die jeweilig angesprochenen Wahrnehmungskomplexe darstellen.
Nicht nur ist es hier eine materielle Anordnung die in einer Modifikation des Selbstbezugs zu dem Gefühl der »Entkörperlichung« führt, es ist auch neben den Verarbeitungen von Zeichen wesentlich, dass die Benutzerin einer Modifikation ihrer Körperschemata, ihrer Erfahrung des Innen-Außen-Verhältnisses unterworfen wird, die selbst nicht direkt als Zeichenprozess darstellbar ist, auch wenn diskursive und metaphorische Netzwerke konventionalisierter kultureller Repräsentationen von »Innen-Außen-Verhältnissen« hierbei mit angesprochen werden.
In vergleichbaren, in diesem Sinne ebenfalls medialen Prozessen, wie etwa dort, wo Menschen mithilfe einer Verkleinerungslinse in ihren gewohnten, in sich strukturierten Umgängen und Dimensionierungen gestört werden, kommt es zu einer Modifikation des Körperschemas, wie Schontz bereits 1969 nachwies - und “body schemata themselves are not fixed photographs of bodily structure but are active, changing processes.”
Diese Bemerkungen erhalten, wenn sie auch aus einem sehr begrenzten Zusammenhang stammen, ihre medientheoretische Bedeutung, sobald gesehen wird, dass die Bestimmung, die McLuhan den Medien – diesseits aller bereits kanonisierten, quasi-aphoristichen Theoreme den Medien gegeben hat, genau auf dieser Funktion der Veränderung gewohnter Schemata beruht; “Denn die »Botschaft« jedes Medium oder jeder Technik ist die Veränderung des Maßstabes, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt.â€
– 2. Postdramatisches Theater
In einem anderen exemplarischen Zusammenhang lässt sich dieser Rapport von medialen und zeichenförmigen Prozessen andeuten. Wenn Erika Fischer-Lichte im Zusammenhang der Frage nach der Performativität von Kultur von Victor Turner die Frage nach Bedeutungsgenerierung in »multisensorischen Werken und Inszenierungen« aufnimmt, lässt sich bei ihr noch deutlicher als bei Turner – auch wenn dieser bereits die Rolle medialer Ensembles in der kulturellen Sinnproduktion durch »symbolic action« thematisiert hat - die Rolle gegenständlicher Objektgebräuche im Zusammenhang mit nicht-symbolischer, aber »effektiver« Bedeutungsstrukturierung aufzeigen. Interessant ist an diesem etwas anders gelagerten Beispiel-Zusammenhang nicht nur der – im Vergleich - eher nicht-technische, kulturelle Zusammenhang der Untersuchung, sondern ebenso die deutlichere Gegenständlichkeit bei dieser Bedeutungsgenerierung mit Hilfe der nicht-zeichenmäßigen Aspekte der auf der Bühne benutzten Objekte. Gegenüber einer eher »semiotischen« fokussierten Phase des Theaters verschob sich imRahmen des »postdramatischen« Theaters und neuerer Entwicklungen in der Performance-Kunst der Fokus des Interesses von Bezeichnungsprozessen hin zu Prozessen der Herstellens, Kreierens und zu den Handlungen, die zuallererst, sofern man es mit Fischer-Lichte und Hans Thies Lehmann genau nimmt, die Akteure dieser Prozesse, das bespielte Material wie auch dasEreignis als ein kulturell bedeutsames hervorbringen. Diese Tendenz ging einher mit der Ausweitung des Anspruches, den der Körper selbst als “Material, als Agens wie als symbolisches Medium†für sich beanspruchen konnte. Was Fischer-Lichte den energetischen Körper nennt ließe sich
Während hier das Gewicht auf der Performativität der Aufführungen liegt, weist Fischer-Lichte darauf hin, dass es in diesen einen Artefaktgebrauch gibt, der allerdings den Schwerpunkt von der reinen »Eigenbedeutung« - der immer in diskursive und semiotische Zusammenhängen eingebetteten Artefakte - hin zu ihrer Umwertung zu eingepassten Elementen im Rahmen eines Realisierungs- und Transformationsprozesses darstellt. Die Performance löst die Artefakte in Handlungsvollzüge auf.” Wenn Marina Abramovic oder Hermann Nitsch Peitschen, zerbrochenes Kristallglas im Zusammenhang mit einer direkten Arbeit am und verschiedenen Wirksamkeiten auf den Körper arbeiten, ein fünfzackiger Stern in das Fleisch geritzt, der Körper den spürbaren Einwirkungen von Eisblöcken ausgesetzt wird, dann unterliegen die otmals als »Zeichen« gedeuteten Artefakte einer Verschiebung. Zum einen werden sie unter das Regiment des Körpers gesetzt, der dieserart als ein unauslöschbares Zentrum der sprichwörtlichen »Produktion« von Kultur erkennbar wird. Zum anderen wird die Dominanz “der referentiellen Funktionâ€, die klassischerweise in den Künsten im Vordergrund stand fraglich.
Sie werden – in einer sehr an die eingängliche Bestimmung des Medialen von McLuhans erinnernden Bedeutung – zu »Erfahrungsvehikeln« - sie »repräsentieren« im eigentlichen »verborgene Wirkungen«, die allerdings “»verständlich« und transparent gemacht werden könnenâ€; sie sind gerade in dieser Doppelheit von erfahrener Wirksamkeit und Gegenständlichkeit (d.h. phänomenaler Wahrnehmbarkeit) in einer sehr deutlichen, von Zeichen dabei unterschiedenen Weise Medien der Bedeutungsgenerierung:
“Welche symbolischen Assoziationen auch immer die Objekte beim einzelnen Zuschauer ausgelöst haben mögen, haben sie sie doch nicht als isolierte Objekte, als diese Gegenstände »an sich« hervorgerufen, sondern durch ihre besondere Verwendung als Werkzeuge zu einer Selbstmißhandlung und -verletzung.”
Neben ihrer – ebenso unauslöslichen Einbettung in symbolische Referenzsysteme – kommt eine weitere Schicht ihrer potentiellen Bedeutsamkeit zum Vorschein, die sich vor allem geltend macht über die “starken sinnhaften Eindrücke†seien sie »direkt gespürt« oder aber einfach der Wahrnehmung offensichtlich - dieser “Zustand der Liminalität†an den Grenzen und Schwellen neuer Erfahrungs- und Bedeutungsdimensionen ist deswegen in gewisser Weise das eigentliche Ziel der meisten Performances.
“Das »postdramatische« Körpertheater, so fasst Gabrielle Hima zusammen, “verschiebt den theatralen Zeichengebrauch vom Symbolischen auf das Physische, von der Kognition auf die Wahrnehmung: Es repräsentiert nichts, sondern präsentiert etwas, es teilt dem Publikum keine Erfahrung mit, sondern teilt mit ihm eine Erfahrung, es bietet ihm kein fertiges Resultat an, sondern stellt einen Prozess dar, der die Zuschauer mit keiner Information bereichert aber sie mit vitaler Erfahrung ihrer eigenen Körperhaftigkeit auflädt.â€
Als gemeinsamer Brennpunkt der je nach Verhältnis von Material, Zeichen und performativer Aufführung anders konfigurierten »Körpers« der Performance – Fischer-Lichte benennt hier in einer historischen Folge der Avantgarde-Bewegung den motorischen Körper - den phänomenalen Körper - den semiotischen Körper - und eben neuerdings _mit der Betonung der entbundenen Kräfte und Wirkungen_ den energetischen Körper – ließen sich alle diese Formen wohl im Merleau-Ponty´schen Begriff des Ȋsthesiologischen Leibes« zusammenfassen - der als empfindender vom materiellen Leib abhängig, doch nicht mit ihm identisch ist – und der als gemeinsames aller dieser Formen die “Bezugnahme auf eine einzige sinnliche Welt”â€verbürgt. Etwas verborgen aber entscheidend scheint hier auch Fischer-Lichtes Bemerkung, dass alle Pole dieser Aufführungssituation – der Körper, die symbolische Sprachordnung, die kulturellen Gegenstände – sich als »Form(en)« einer Körperlichkeit entdecken lassen, da es vorderhand im Hinsicht auf die Bedeutungsproduktion um ihre relationale Anordnung mit einem Körper (bzw. dem doppelten Körpern des Performers und des Zuschauers) geht.   eine solche Verkörperung†könnte man dann mit Bernhard Waldenfels hinzufügen “verspricht vielmehr wechselnde Konstellationen, von denen auch die Funktionen und die wechselseitigen Abgrenzungen von Ordnungskriterien betroffen sind.â€
Die Form ihrer »Wirksamkeit« könnte mit einem Begriff den Merleau-Ponty dem Anspruch der »symbolischen Formen« Cassirers entgegen- bzw genauer zur Seite - stellt als »perzeptive« oder »empirische« Prägnanz« bezeichnet werden. Diese ist nicht statisch oder konventionell festgelegt – vielmehr kommt es hier zu einer “momentanen Verschmelzung von Signifikant und Signifikat, in der wiederum eine “Unzahl von Möglichkeiten†enthalten ist neue symbolische Assoziationen zu »triggern«. Es handelt sich aber mindestens ebenso sehr um die in der Medienanthropologie behaupteten »Emphase-« und »Intensivierungstechniken« in kulturell komplexen Zusammenhängen wie um die Schaffung neuer Bezeichnungspotentiale. Das ist deswegen wichtig, weil es neben dem Aspekt der Performativität, den des Effektes selbst als zentrale Dimension der medialen Wirkung beschreibt, auch wenn diese im Zusammenhang mit “ganzen »Arrays« materieller Konstellationen†stehen.
Vor diesem Hintergrund gilt, so Gumbrecht, die Sichtweise “zu hinterfragen, (…), welche die Grenzen der Kultur als die Grenzen der Darstellung und der Interpretation sieht” und das »Auftauchen« »körpergebundener Wahrnehmung« gleichzeitig mit dem der Zeichen in der Neuzeit ernst nimmt.
4. Zeichen- und medientheoretische Familienähnlichkeiten zwischen Merleau-Ponty, McLuhan und Benjamin
Es gibt eine Familienähnlichkeit im Sinne der hier gegebenen Beschreibung, in die an unterschiedlichen Stellen ja bereits verstreute Bemerkungen zu McLuhan und Merleau-Ponty eingegangen sind. Im Abschluß wird es auch nicht im gegebenen Rahmen möglich sein, die reichhaltigen Kontexte aus denen die entscheidenden Hinweise entnommen sind, vorzuführen. In gewisser Weise sind diese Theoretiker bereits als Medium für eine Auffassung von Medialität vorgeprägt worden, wie sie hier bereits angespielt worden ist. Die Gemeinsamkeit aller Drei kann nicht nur in einer – aus einer jeweils sehr unterschiedlich angelegten Perspektive – Beschäftigung mit der medialen Vermittlung von Bedeutung und ihren ebenfalls sehr unterschiedlichen – aber auch in je verschiedener Weise sehr ausgeprägten – Bezügen zum leiblichen Körper des Menschen gesehen werden. Sie scheinen sich auch allesamt familienähnlich in ihrer gleichzeitigen Aufmerksamkeit für Vermittlungsprozesse, die einhergeht mit einer Frontstellung zu dem was man eine »semiologischen Reduktion« nennen könnte. Während dies für Merleau-Ponty wohl nicht weiter nachgewiesen zu werden braucht, ist in Bezug auf McLuhan hier einer Bemerkung des kanadischen Medientheoretikers Arthur Kroker zu nennen, der in einem der aufschlussreichsten Aufsätze zu McLuhan festhält: “McLuhan’s thought was structural, analogical, and metaphorical because he sought to disclose the »semiological reduction« at work in the media of communication.â€
In den Beispielen wurde bereits deutlich, dass der Körper dort wo es um Bedeutungsbildung aufgrund neuer Wirk- und Bedeutsamkeiten geht in ein komplexes Konfigurationsfeld eingebunden ist, in dem der Körper als Ȋsthesiologischer Körper« nicht als Objekt unter Objekten« behandelt werden kann. Mit Merleau-Ponty kann dies zu einer Perspektive spezifiziert werden, in der Körperlichkeit als eine strategische Doppelfigur gedacht ist, “ die den Körper zum einen als lebendige, empirische Struktur und zum anderen als Kontext oder Milieu der Kognitionsmechanismen” – und damit nach diesem Verständnis letztlich auch der Signifikationsprozesse - umfasst (so Varela/Thompson/Rosch, Der Mittlere Weg der Erkenntnis)
Der lebendige Körper muss dann nicht nur im Zusammenhang seiner Materialität oder seiner expliziten sinnlichen Wahrnehmungen bestimmt werden, sondern auch als “natürlicher Rahmen†implizit wie explizit wirkender Effektivitäten, wie Merleau-Ponty mit Rekurs auf Buytendijk und die physiologische Forschung seiner Zeit vermerkte. Dieser Rückgang auf seine körperliche Eingebundenheit, sein engagiertes Zur-Welt-Sein unterhalb des Ausdrücklichen und Objektivierten ist aber gerade nicht der Rückgang zu einem Körper als Objekt unter Objekten, sondern führt vielmehr in das Feld einer gleichzeitig erfahrbaren wie »anonymen« Medialität, einem Feld in-direkter Beziehungen. Ausgangspunkt für diese Neufassung ist bei Merleau-Ponty die Anerkennung einer körperlichen Intentionalitäten, die den Körper als Teil eines offenen Wirkungsfeldes bestimmt. Diese Intentionalität wie sie Merleau-Ponty in seiner materialistischen Wendung der Husserl´schen Phänomenologie im Fundament seines Körperlichkeits-Konzeptes in Anschlag gebracht hat –umfasst sowohl körpergebundene Wahrnehmungen, physiologische Bedürfnisse, das Begehren der Psychoanalyse, gegenständliche Gebräuche – kurz alle Formen eines gegenständlichen oder quasi-gegenständlichen Bezugs auf etwas anderes, auf sein strukturiertes Milieu. Hier ersetzt Merleau-Ponty schon im Ausgangspunkt die konkurrierenden Modelle einer Intentionalität des Bewusstseins oder einer Intentionalität rein objektiver oder sprachlicher Bedeutungsstrukturen, welche auch für viele Konzepte des Zeichens so bestimmend waren. Medialität erscheint dann als - nicht notwendigerweise zeichenhaft funktionierende - Potenz “in der gegebenen Welt Grenzen zu ziehen, Richtungen festzuhalten, Kraftlinien abzuzeichnen, Perspektiven zu eröffnen, kurz nach einem Augenblicksprinzip die Welt zu organisieren.” (Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung). Diese medialen Zusammenhänge, die sich in einer vor-organisierten Wirklichkeit immer an lebensweltlichen Phänomenen selbst geltend machen und “meiner Erfahrung einen zweiten Sinn geben†sind unterscheidbar von konventionell stabilisierten Signifikant-Signifikat-Zusammenhängen, auch wenn sie in diese eingehen.
Auf die Verkürzung des Bedeutungsbegriffs auf semiotische Strukturen ‘antwortet’ Merleau-Ponty, so Waldenfels, mit einer Unterscheidung zwischen Gelebtem und Erkanntem, zwischen effektiver, konkreter Struktur und intellektueller Bedeutung” (Waldenfels 1986 : 157) und – so lässt sich hinzufügen – die menschliche Abhängigkeit von unreflektierten Leben (MP76 SV).
Tilman Lang rekonstruierte ganz Analog zu Merleau-Ponty´s Ȁsthesiologie« für Walter Benjamin eine Mediologik, die sich im gesamten Werk einer Semiologik zur Seite stellt. Walter Benjamin, der den Körper als “vornehmlichstes†»Differenzierungsinstrument« verstand (so in den “Schemata zum Psychophysischen Problemâ€) unterschied in einem Fragment, dass in diesem Zusammenhang selten rezipiert wird und das in den vorgestellten Perspektiven ein neues Licht annimmt, Wahrnehmung als offenen Deutungs-Zusammenhang in einer Konstellation des Körperlichen Feldes von Zeichen und ihren Bedeutungen als die Fixierung bestimmter Teile des selben Feldes. Er verstand mimetische »Register«, wie jenes der Sprache als »eine fundierte Intention«, einer Intention die urtümlich dem Körper angehörig ist, die aber “überhaupt nur an etwas Fremdem, eben dem Semiotischen, Mitteilenden der Sprache in Erscheinung treten kann.†(so in der “Lehre vom Ähnlichenâ€).
Medien werden also dort bestimmbar, wo eine aufweisbare Spannung zwischen materialen Konstellationen und einer relevanten, mitunter neue Bedeutung schaffenden, Effektivität eintritt. Unterhalb signifikativer, prädikativer und repräsentationaler Konfigurationen organisieren Effektivitäten nicht-ausdrückliche »Bedeutsamkeiten«, die sich basierend auf körperlich-intentionalen Relationen immer als - implizite oder explizite - »Bedeutsamkeit-für« darstellen.
Für Körper lassen sich - ausgehend von der wegweisenden Arbeit Michael Polanyis hierzu - implizites (mediales) und explizites Wissen unterscheiden. Dies ist verknüpft mit einer »Kunst der Diagnostik«, die â€geschicktes Prüfen†und ein gebrauchendes »sich verlassen« auf den eigenen Körper wie von einverleibten Artefakten einschloss, um in die Bereiche der subception (unterschwelliger Wahrnehmung) vorzudringen. Mit »implizitem Sinn« ist dann die »stumme« Sinnhaftigkeit körperlicher Existenz gemeint, in der nichtsdestoweniger effektive Relevanzen für den Körper dies- und jenseits des Sprachlichen oder Expliziten auftreten können. Diese Region nicht-ausdrüklichen Sinns fällt mit dem »rohen«/»wilden« Sein bei Merleau-Ponty zusammen: “Indessen gibt es die Welt des Schweigens; die Wahrnehmungswelt ist zumindest eine Ordnung, in der es nicht+sprachliche Bedeutungen gibt; ja, nicht-sprachliche Bedeutungen, aber sie sind deswegen nicht positiv. (…); es gibt (hier) Felder und ein Feld von Feldern mit einem Stil und einer Typik.” - SU 222
Walter Benjamin referiert ebenfalls auf einen Wahrnehmungsbegriff, der Bedeutsamkeit von Bedeutung unterscheidet und nicht notwendig mit einem Prozeß der »Mimesis« durch Individuen bestimmt werden kann:
“Alle Erscheinungen auf einer Fläche können als Configurationen in der absoluten aufgefasst werden
… Zeichen ist eine solche Configuration in der absoluten Fläche, der prinzipiell unendlich vieles als durch sie bedeutetes zugeordnet werden kann, der jedoch bei ihrem jedesmaligen vorkommen nur ein nach Maßgabe des Zusammenhangs in welchem sie vorkommt aus den unendlich viel möglichen Bedeuteten notwendig zuzuordnen ist.
Die Wahrnehmung unterscheidet sich vom Zeichen durch Folgendes: sie ist nicht Configuration in der absoluten Fläche sondern die configurierte absolute Fläche. Daraus folgt, dass bei ihr von »Vorkommen« im obigen Sinne nicht mehr gesprochen werden kann und, da damit das für die Eindeutigkeit des jeweiligen Zuzuordnenden das Kriterium verschwindet, auch nicht mehr von Bedeutung, welche diese Eindeutigkeit zur Voraussetzung hat.
Der Wahrnehmung ist nicht eine prinzipiell unendliche Anzahl von Bedeutung sondern eine solche von unendlich vielen möglichen Deutungen zuzusprechen (…) Die Deutung bezieht sich auf das Gedeutete, welches vorliegt, die Bedeutung bezieht sich auf das Bedeutete, welches nicht vorliegt… (Das) Schema (der Bedeutungskanon) ist die Bedeutung der Bedeutbarkeit (…)
Die Deutungsmöglichkeiten der Wahrnehmung sind unendlich, aber ebenfalls mit Hinblick auf irgend ein noch zu bestimmendes »jeweils und jedesmal« (was nicht das vorkommen betrifft) einfach. Die Deutung einer Configuration in der absoluten Ebne heißt ihr Schlüssel. Die Wahrnehmung ist, zum Unterschied von der Schrift nicht in ein Bedeutendes zu verwandeln, das heißt ihr Schlüssel ist nicht anwendbar. Das Wahrnehmungsproblem mündet so in ein Problem des »reinen Schlüssels«.
Das Wahrgenommene ist ein reiner Schlüssel der configurierten absoluten Fläche.â€
– Benjamin GS6/fr18 : 32f.
… Zeichen ist eine solche Configuration in der absoluten Fläche, der prinzipiell unendlich vieles als durch sie bedeutetes zugeordnet werden kann, der jedoch bei ihrem jedesmaligen vorkommen nur ein nach Maßgabe des Zusammenhangs in welchem sie vorkommt aus den unendlich viel möglichen Bedeuteten notwendig zuzuordnen ist.
Die Wahrnehmung unterscheidet sich vom Zeichen durch Folgendes: sie ist nicht Configuration in der absoluten Fläche sondern die configurierte absolute Fläche. Daraus folgt, dass bei ihr von »Vorkommen« im obigen Sinne nicht mehr gesprochen werden kann und, da damit das für die Eindeutigkeit des jeweiligen Zuzuordnenden das Kriterium verschwindet, auch nicht mehr von Bedeutung, welche diese Eindeutigkeit zur Voraussetzung hat.
Der Wahrnehmung ist nicht eine prinzipiell unendliche Anzahl von Bedeutung sondern eine solche von unendlich vielen möglichen Deutungen zuzusprechen (…) Die Deutung bezieht sich auf das Gedeutete, welches vorliegt, die Bedeutung bezieht sich auf das Bedeutete, welches nicht vorliegt… (Das) Schema (der Bedeutungskanon) ist die Bedeutung der Bedeutbarkeit (…)
Die Deutungsmöglichkeiten der Wahrnehmung sind unendlich, aber ebenfalls mit Hinblick auf irgend ein noch zu bestimmendes »jeweils und jedesmal« (was nicht das vorkommen betrifft) einfach. Die Deutung einer Configuration in der absoluten Ebne heißt ihr Schlüssel. Die Wahrnehmung ist, zum Unterschied von der Schrift nicht in ein Bedeutendes zu verwandeln, das heißt ihr Schlüssel ist nicht anwendbar. Das Wahrnehmungsproblem mündet so in ein Problem des »reinen Schlüssels«.
Das Wahrgenommene ist ein reiner Schlüssel der configurierten absoluten Fläche.â€
– Benjamin GS6/fr18 : 32f.
In der neueren Medientheorie deutet Paech etwas ähnliches an, wenn er darauf hinweist, dass etwa in der medientheoretischen Beschreibung über das Dispositiv des Filmes unter dem Begriff der »Figuration« die Untersuchung relationaler Strukturen “an die Stelle des Zeichenprozesses getreten ist†um komplexere Bedeutungsprozesse (die er allerdings, da er den Begriff des Zeichens nicht gänzlich aufgibt, immer noch als »Semantiken« bezeichnet) Aber deutlich können visuelle Strategien des Chocks, wie sie der moderne Film zu genüge auf den Zuschauer anwendet nur schwerlich im Paradigma des Zeichens gedeutet werden. Seine medialer Wert hingegen ergibt sich einfach aus seinem Status als extraordinärer Wahrnehmungsmodus, einer bedeutsamen Verschiebung der vorhandenen Wahrnehmungsstrukturen. Der Schock ist gerade da bedeutsam, wo er vorhandene Deutungsmuster der Wahrnehmung übersteigt und in diesem Sinne »unfassbar« wird. Auch Winkler greift deswegen auf die bedeutsamen Ereignisse zurück, die im Zusammenprall von Körper und Wirklichkeit, die sonst verborgene, sich – frei nach McLuhan unsichtbar gebende Seite – der uns umgebenden Medien offenlegen.
In diesem Raum werden nach der - aufzuweisenden - Ansicht beider Denker jeweils körpereigene Intentionalitäten und Schemata abgestützt, modifiziert und transponiert. Interessant sind ihre Beschreibungen gerade dort, wo sie Verhältnisse, die als Zeichenprozesse verstanden werden können unterschreiten. Bedeutsamkeit wird hier bestimmt in einem hypothetischen Raum dies- oder jenseits der Artikulation – also in einer Weise, die auch von dreistelligen Semiotiken nicht erfasst wird soweit sie auf einen Punkt der Stabilisation außerhalb der menschlichen Beziehungen zu ihren Gegenständen verwiesen bleiben (das Zeichen oder Representamen bei Peirce, das Symbol bei Ogden Richards, der Ausdruck bei Hjelmsev, das zeichenhafte Vehikel bei Morris usw.). Medialität wird hier also bestimmbar nicht in dem Prozess eines »Ausdrucks«, verstanden als vor-semotischer Funktion des Semiotischen – sondern eher konzeptualisierbar als »Anzeichen« in einer Sphäre generell sinnhaft verkörperter Ästhesiologien.
5. Ein vorläufiger Schluss:
Scheint der Gegensatz zwischen dem Symbolischen und den medialen Strukturierungen von Bedeutungshaftigkeit sehr scharf, so sollte dies nur der klareren Konturierung der Bestimmungen von Zeichen und Medium in solch einer Weise dienen, die einerseits das Mediale jenseits einer Sekundantentätigkeit von artikuliertem Sinn aufzeigt, über eine Instantiierung oder instrumentelle Botentätigkeit hinaus bestimmen kann und andererseits eine Abgrenzungsbestimmung liefert, die sowohl dem Konzept des Zeichens, wie auch dem des Mediums eine eigenständige Valenz zuerkennt. Letztlich bleibt die menschliche (Existenz) natürlich ein Ort an dem beide Dimensionen immer miteinander vorkommen. Dies wird im Begriff einer »augmentierten Realität« zum Ausdruck gebracht, die auf die Untersuchungen der Mensch-Computer-Interaktion von Engelbart zurückgehen und heute zur systematischen Untersuchung von Techniken führen, in denen artikulierte symbolische Interaktionen elektronisch-digitaler Provenienz dem nicht-symbolischen Handeln und Orientiertsein menschlicher Aktere überlagert werden.
Medien treten ausschließlich auf im Zusammenhang von Sinn- und Bedeutungseffekten. Allerdings bergen sie eine ‚subliminale Bedeutsamkeit‘, verkörpern dasjenige an Zeichenkonfigurationen und symbolischen Formen, was man - im Unterschied zur expliziten, (irgendwie) konventionalisierten, ‚prädikativen‘ Bedeutung, - als die implizite Bedeutsamkeit, als die unausgesprochenen, stummen Effekte der Sinngebung bezeichnen könnte.
Eingeführt ist hiermit auch der Bezug zu Erfahrungs- und Signifikationsfeldern die sich als Konfigurationsräume verstehen, in denen der Körper systematisch relevanten »Station« (Serres) besonderer Art unter anderen Stationen darstellt. »Konfiguration« geht hier über das Gebiet einer Gestaltpsychologie hinaus, soweit sich diese nur mit den Gestalten innerhalb des Wahrnehmungsrahmens befasst und umfasst die wahrgenommenen wie auch andere materiale Ordnungen, auch soweit diese als Wirkeigenschaften der Phänomene nicht im phänomenalen Bereich der Wahrnehmung zur Erscheinung kommen – d.i. eine Wahrnehmungswelt über das hinaus, was der Mensch selbst als erkennender prägt.
––– Kongress »Körper - Körperlichkeit - Entkörperung« @ Deutsche Gesellschaft für Semiotik >
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