Interferenzen - eine Theorieeröffnung zu techno-sozialen Räumen [talk]
> mapping vortrag – m. Gabriele Gramelsberger | Tagung “Körperwellen. Zur Resonanz als Modell, Metapher und Methode” | Freie Universität Berlin/Tesla | 19.5.2006>
abstract
Wo immer das “Paradigma der Kausalität” verlassen wird, scheint der Abschied von Wissenschaft nahe
und lyrische und metaphorische Sprechweisen erreicht. Unterschlagen wird dabei, dass der Begriff der
“Kausalität” auch in akademischen Verwendungen der Form nach zumeist noch eine Hyponoia darstellt.
Bis heute wird Kausalität dogmatisch verbunden mit der spezifischen Episteme, wie sie die sozio-
technischen Logiken des mechanisch-industriellen Zeitalters kennzeichnet; sie meint in gängigen
kulturwissenschaftlichen Beschreibungen immer noch einseitige, determinierende und hierachisch-
lineare Verursachung: die aristotelische Logik, wie McLuhan in “Das resonierende Intervall” kritisch
vermerkt. Als Alternative erscheint vielen nur der Ansatz “systemischer” Verursachung, welcher immer
von einer vorausgesetzten, externen Kontrolle (Beobachtung) ausgeht.
Dagegen greifen neuere Ansätze der STS in ihren Annäherungen an Aktuer-Netzwerke und sozio-
technische Räume systematisch auf die Idee resonierender Verhältnisse zurück. Sie schliessen so an
einen oft vergessenen Ausgangsimpuls der Medientheorie an, der vor allem in der Entdeckung der
elektrifizierten, “lebendigen” Raumlogiken der techno-medialen Moderne bestand, und sich von
mechanisch-industriellen und linear-textuellen Logiken weg und zu offen interagierenden, dynamischen
und bi-direktionalen Verhältnissen orientierte. Konzepte wie Ubiquitious Interactive Computing und
Ambient Technology sind, wie sich leicht zeigen läßt, technoforme, aber aktuell hoch wirksame Marken
im Zusammenhang mit diesen neuen, greifbar gewordenen Räumen der “digitalen Kultur”.
Doch wo die Ersetzung einer alten Doxa von Kausalität durch eine neue, nicht weniger technik-affirmative droht (”interaktivität!”), gilt es genauer auf kritische Potentiale für die Auffassung lebensweltlicher Raum- und Handlungsordnungen zu achten. So wie für McLuhan der “Witz” einer neuen, die öffnenden Fluchtlinien mediatisierter Zustände aufgreifenden Theorie-Perspektive darin lag, den Menschen ebenso wie die “information environments” zu einer “Umwelt” werden zu lassen, so beschreiben auch viele aktuelle Theorieansätze die Möglichkeiten eines “positiven Feedbacks” der menschlichen Akteure auf extensive und invasive Techno-Logiken. Während etwa Douglas Engelbart, der nonkonforme Comuterpionier, auf kritische Rückkoppelungseffekte reflexiver und problemorientierter User auf die neuen Computerarchitekturen setzte, so untersuchen neuere STS-Ansätze Mensch-Technik-Interaktion “in
terms of dialogic and material practices of everyday life” (Anne Galloway).
All diese Ansätze verstehen den “mobilen Menschen” - ganz gegen alle konformen Verklärungen - auch im Sinne gänzlich neuer, aktiver und eigenmächtiger (Re-)Positionierungspotenziale (s. Donna Haraway). In diesen Reflexionen auf das “Second Media Age”, verstanden als reale Zunahme offener Wechselwirkungen, liegt eine Gegentendenz zur Vertiefung der kybernetischen (gesteuerten wie steuernden) Prozesse der “post-industriellen Kontrollgesellschaften”. Es handelt sich um die Möglichkeit einer nicht-technikaffirmative Theorie-Eröffnung: von passiver Situiertheit hin zu aktiver Positionierung, vom Operationalen anonymer Systeme hin zum Explorativen im Rahmen techno-sozialer Umwelten, und von vermeintlich “authentischer”, naturlaisierter Repräsentation hin zu Dimensionen strategischen Handelns.
Der Vortrag soll in einem offenen Doppel vorgestellt werden: als wechselseitiger Dialog der
Beitragenden (Dr. Gabriele Gramelsberger und Oliver Lerone Schultz, M.A. - beide FU Berlin).
Weiter angereichert wird der Raum der offenen Referenzen durch einen lebendigen,
korrespondierenden aber eigenständigen Bildhintergrund (Timm Ringewaldt, Autokolor a.k.a.
Monitor Automatique)
––– Körperwellen @ H-Soz-Kult >